Darßer Tür ist Markenzeichen der Region

Was verbinden die Menschen mit dem Darß, ihrer Heimat oder ihrem Urlaubsort? Ganz klar, die kunstvoll verzierte Darßer Tür. Das bunte Potpourri an Haustüren hat eine immense Prägekraft für den Darß und schafft noch heute eine starke gemeinsame Identität – für Einheimische wie für Urlauber. Du kannst sie auf Kulturpfaden erkunden und in Büchern nachschlagen. Oder wie wir, die Werkstatt besuchen, in der die Darßer Türen heute noch wie vor 200 Jahren von Hand gefertigt werden. In dem echten Traditionsbetrieb – der Kunsttischlerei Roloff – wird das uralte Handwerk mit Schnitzeisen und Hobel weitergeführt. Bereits unzählige TV-Beiträge und Artikel haben das Können der tallentierten Brüder in die Welt getragen. Klar, dass die Roloffs auch nicht bei Himmelblau und Barfuß fehlen dürfen.

Der Segelschifffahrt geschuldet

Es waren vor allem die Kapitäne, die sich vor über 200 Jahren die prachtvollen Türen leisteten. Bevor diese mit ihren Segelschiffen den Handel und damit vernetzten Wohlstand über die Ostsee schipperten, war die Halbinsel noch ein bettelarmer Landstrich. Doch so begann Ende des 18. Jahrhunderts eine neue Küstenkultur zu keimen und mit ihr tief verwurzelt – die Darßer Tür. Verbunden mit regionalem Brauchtum und Einflüssen aus der ganzen Welt wurde der Hauseingang fortan zum Statussymbol. Wer es sich leisten konnte, schmückte seine Tür mit den dekorativen Ornamenten, Säulen oder flachen Giebeln. Doch neben der Ausstrahlung von Schönheit und Reichtum hatten die Türen noch einen anderen Zweck. Die uralten Symbole, entsprungen aus Aberglauben und Mythologie, sollten auch dem Schutz und Glück des Hausbesitzers dienen.

Der Eingang des Prerower Gemeindehauses

Roloff Brüder sind Meister ihres Handwerks

Die Darßer Türen haben geschafft, was so vielen anderen Handwerkstraditionen leider nicht geglückt ist. Sie haben in Zeiten des schnelllebigen Konsums überlebt, ja sogar eine Renaissance erlebt. Zu verdanken ist das einzig und allein den Brüdern René und Dirk Roloff – den letzten verbleibenden Tischlermeistern, die dieses Kunstwerk noch beherrschen. Bereits in sechster Generation führen die beiden Holzkünstler den Familienbetrieb. Hier restaurieren sie alte und bauen neue Darßer Türen. Allein im Ostseebad Prerow gibt es über 100 zu entdecken. Die meisten davon stammen aus den Händen der Roloffschen Tischlerfamilie.

Nicht nur das Wissen – auch das Werkzeug ist vererbt

Über 40 Werkzeuge sind nötig, um eine Tür zu fertigen – angefangen vom Bleistift über den Zollstock, die verschiedenen Hobel und Sägen bis zum Schnitzeisen. Vor allem von letzterem können schon mal 20 bis 30 verschiedene gebraucht werden. Selbst für die Schnitzeisen fertigen die Roloff Brüder noch die eigenen Griffe an. „Dazu nehmen wir gern das Holz der Obstbäume aus unserem Garten. Zum einen können wir sie dann besser unterscheiden und zum anderen liegen sie auch besser in der Hand“, erklärt René Roloff. Auch die teils über 150 Jahre alten Hobel werden oft genutzt. „Hier kommt uns zu Gute das viele Hobel über die Generationen weitervererbt wurden. Diese passen exakt für die Profile der alten Darßer Türen. Maschinell wäre das sehr schwer nachzuarbeiten. Mit dem alten Traditionswerkzeug gelingt das viel besser. Ohne die über 100 Jahre alte Hobelmaschine würde es auch nicht gehen.“

Die Hobel sind teilweise über 150 Jahre alt

Die Tradition Darßer Tür lebt weiter

Dass die Darßer Tür auch nach über 200 Jahren lebendig geblieben sind, sieht René Roloff vor allem auch in ihrem Veränderungsprozess. „Es gibt immer noch die ganz traditionelle Darßer Tür, die jene Symbolik zeigt, die es auch schon vor 200 Jahren gab. Sie hat sich in den Motiven aber auch weiterentwickelt, ohne dabei etwas von ihrem alten Spirit zu verlieren. Nehmen wir zum Beispiel den Tulpenstrauß. Diesen fertigen wir heute in vielen Varianten. Wir gucken auch wo die Wurzeln der alten Motive verankert sind. Aus diesen Wurzeln können wir neue Motive entwerfen, so dass sie aussehen, als ob es sie schon immer gegeben hat. Wenn wir die Türen nicht weiterentwickeln würden, würde sich alles nur ständig wiederholen. Damit wären sicherlich auch der Reiz und das Interesse irgendwann weg. Wie mit vielen Dingen im Leben ist es wichtig, auch etwas Neues entstehen zu lassen.“

Werkstatthund Bruno ist immer mit dabei

Immaterielles Kulturerbe der UNESCO

Dieses außergewöhnliche Handwerkskunst hat für den Darß und unsere Kultur einen unschätzbaren Wert. Das sieht auch die UNESCO so. 2018 ist die Fertigung der Darßer Türen im Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Angesprochen auf diese Ehrung, stellen die Brüder Roloff ihr Licht weit unter den Scheffel. „Hier wurden nicht wir, sondern das Handwerk als etwas Besonderes ausgezeichnet.“ Dennoch ist es eine Wertschätzung, auf die wir stolz sind. Wir hoffen, dass es hilft, diese Tradition besser zu erhalten, da es den Blick auf das alte Handwerk lenkt. Denn es wäre sehr schade, wenn diese Tradition irgendwann ausstirbt auf dem Darß.“ Ganz schön bescheiden finden wir! Schließlich sind die beiden Brüder seit Jahrzehnten die einzigen Tischlermeister, die dieses Handwerk noch beherrschen.

Der Tulpenstrauß ist ein beliebtes Symbol für die Darßer Tür ©Roloff

Das Roloffsche Herz schlägt für Holz

Mit wieviel Leidenschaft die gebürtigen Prerower auch nach so vielen Jahren noch bei der Sache sind, wird auch bei der Frage deutlich, was den Werkstoff Holz so besonders macht. „Holz bietet unendlich viele Möglichkeiten. Es ist ein sehr angenehmes, immer warmes Material und hat Charakter. Man muss sich mit dem Holz auseinandersetzen. Wir können nicht einfach drauflosarbeiten. Wir müssen schauen was das Holz ausmacht, was es mit uns macht und was wir letztlich daraus machen können. Das ist sehr spannend. Welche Holzart wir dabei verwenden, hängt ganz vom Zweck ab. Mal ist es Eiche, Nussbaum, Linde oder Mahagoni. Es darf nur nicht das falsche sein, dann wird das Schnitzen zu einer Qual“.

Die Roloff-Türen gehen in die Welt

Bis nach Österreich, in die Schweiz, in die Niederlande und nach Norwegen haben es die Türen schon geschafft. Die Darßurlauber zählen mittlerweile zu einem Großteil der Kundschaft. Begeistert von der Vorstellung, sich seine ganz eigene Tür gestalten zu können, nehmen viele der Gäste die Arbeit der Kunsttischlerei in Anspruch. Und das muss nicht immer eine originale Darßer Tür sein. „Bei uns bekommt der Kunde eine Tür, die in seine Heimat passt, mit regionaltypischen Ornamenten und symbolischen Charakter. Das ist das Schöne an unserer Arbeit. Wir sind völlig frei in unserem Schaffen. Für unsere Türen gibt es unendliche Gestaltungsmöglichkeiten. Wir können Motive schnitzen und bemalen, die noch nie dagewesen sind.“ Oft ist es aber auch die Urlaubserinnerung und Verbundenheit mit dem Darß, die sich jemand mit nach Hause nehmen möchte. In solchen Fällen reist selbstverständlich auch eine Darßer Tür mal in die Welt.

Geselle Steffen beim Schnitzen eines Ornaments

©Roloff

Die Darßer Tür als Miniatur

Wem das Original zu groß ist, der kann sich auch eine kleine Darßer Tür mit nach Hause nehmen. Denn neben der Auftragsarbeit, ist auch die Nachfrage nach den Miniaturtüren groß. Besonders begehrt sich die weißen Blankotüren mit den dazugehörigen Pinseln und Farbe. Mit dem Malset möchten die Roloffs die Kreativität ihrer Kunden anregen, sich ihre ganz eigene Darßer Tür zu kreieren. Wer so ein Modell als Andenken oder Geschenk erwerben möchte, kann dies direkt in der Werkstatt oder dem hauseigenen Onlineshop ordern. Aber auch bei den Minitüren gibt es nichts von der Stange. Da jede Tür ein echtes Unikat ist, braucht auch diese ihre Zeit bis zur Fertigstellung.

Kaffeemobilbesitzerin Anna Küste betätigt sich in ihrer Winterpause gern kreativ in der Werkstatt

Lang lebe die Tradition

Wir bedanken uns für diesen besonderen Werkstattbesuch. Der Blick hinter die Kulissen der Darßer Türen hat uns wieder sensibilisiert für das einzigartige Erbe, dass René und Dirk Roloff mit so viel Herzblut und Engagement für unsere Halbinsel erhalten. Fischland-Darß-Zingst unterliegt nicht zuletzt durch den massiven Bauboom ständigen und schnelllebigen Veränderungsprozessen. Hier verdanken wir den beiden Brüdern, dass sie mit ihrem traditionsreichen Handwerk nicht nur unsere regionale Identität, sondern auch ein großes Stück unserer Heimat bewahren.

Altes Kapitänshaus mit originaler Darßer Tür

Kontakt:

Kunsttischlerei Roloff, Lange Straße 30, 18375 Ostseebad Prerow, Website